Windstrom aus der Nordsee soll künftig auch die Süwag-Regionen klimafreundlich mit Energie versorgen. Wie kommt der Strom dahin, wo er gebraucht wird?
Auf hoher See weht fast immer eine steife Brise. Flauten? Gibt es nur selten. Die Windräder in den Offshore-Parks vor der Nord- und Ostseeküste drehen sich daher ziemlich oft. Diese Lieferanten grünen Stroms sind deshalb zentrale Pfeiler der Energiewende. Nicht nur der Norden setzt auf Windstrom vom Meer. Auch im Süden und Westen Deutschlands soll er in Zukunft Wärmepumpen, E-Autos oder Rechenzentren antreiben. In diesen Regionen sitzen die größten Stromverbraucher. Hier leben viele Menschen, sind viele Industriebetriebe ansässig. Platz für große Wind- oder Solarparks jedoch gibt es vergleichsweise wenig. Das trifft auch auf die Rhein-Main-Region zu: „Hessen war immer schon ein Importland von Energie“, erklärt Jonas Knoop. „Mit dem Umbau des Energiesystems steigt der Bedarf der Wirtschaftsregion weiter. Denn an vielen Stellen kommt grüner Strom als Primärenergie ins Spiel – egal ob beim Heizen oder im Verkehr.“
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Gigawatt
Windstrom soll der Rhein-Main-Link in Zukunft transportieren können.
Knoop ist Projektsprecher bei Amprion, einem von vier Übertragungsnetzbetreibern in Deutschland. Der plant derzeit ein bedeutendes Netzausbauprojekt: den Rhein-Main-Link. Über vier Erdkabelverbindungen bringt die unterirdische Trasse klimafreundlichen Strom aus Niedersachsen über Nordrhein-Westfalen direkt nach Hessen. Westlich von Frankfurt und in Südhessen endet die Autobahn für den Windstrom. Von dort fließt er weiter ins regionale Netz. Schon in der Planungsphase steht Amprion deshalb in engem Kontakt mit der Süwag-Netztochter Syna. „Zwei Endpunkte des Rhein-Main-Links knüpfen an unser Hochspannungsnetz an: In Kriftel und Hofheim-Marxheim bauen wir gemeinsame Umspannanlagen, damit wir die grüne Energie aus dem Norden abnehmen und verteilen können“, erklärt Syna-Experte Johannes Vey.

„Wir müssen auf den wachsenden Energiehunger reagieren.“
Johannes Vey, Süwag-Netztochter Syna
2028 starten die Bauarbeiten für den Rhein-Main-Link. Schon fünf Jahre später soll der erste Strom durch die neue Leitung fließen. Insgesamt wird die Verbindung einmal eine Übertragungsleistung von acht Gigawatt haben. „Damit können acht Millionen Privatleute versorgt werden“, sagt Knoop. „Rein rechnerisch also zehnmal Frankfurt – Industrie- und Gewerbe ausgenommen.“ Bis dahin ist einiges zu tun: Die Bundesnetzagentur gibt Amprion den Präferenzraum vor – den Bereich, in dem die Leitung verlaufen muss.
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Verbindungen
aus Erdkabeln bringen grünen Strom in die Wirtschaftsregion.
Die genaue Strecke legt Amprion nun fest. Dabei achten die Planer auf zwei Dinge: erstens, dass die Trasse möglichst gerade wird. So geht der Bau schneller und kostengünstiger. Zweitens, dass die Trasse bebaute Gebiete, Wälder und Naturschutzzonen umgeht. Die Bauarbeiten sollen Umwelt und Bevölkerung möglichst wenig beeinträchtigen. „Der Dialog vor Ort ist uns dabei sehr wichtig“, so Knoop. „Gemeinsam mit Kommunen, Natur- und Landwirtschaftsverbänden wollen wir den für alle besten Verlauf finden.“
Damit der Stromsektor klimaneutral wird, müssen in den kommenden zwei Jahrzehnten allein im Höchstspannungsnetz rund 18.000 Kilometer Netz aus- oder neugebaut werden. Hinzu kommen mehrere 100.000 Kilometer in den lokalen Verteilnetzen. Der Rhein-Main-Link ist dabei nicht die einzige Stromautobahn, die neu entsteht. Ein weiteres Beispiel ist der Süd-Link: Die 700 Kilometer lange Leitung soll Bayern und Baden-Württemberg mit Windstrom versorgen.
600
Kilometer
lang wird die Leitung vom Norden in den Südwesten Deutschlands.
Die Verbindungen sind auch finanziell Mammutprojekte: Allein Amprion gibt in den nächsten fünf Jahren rund 27 Milliarden Euro für sein Netz aus. Die regionalen Akteure sind ebenso gefragt. Die Syna plant bis 2029 eine Milliarde Euro für den Ausbau ein. „Auch wir müssen auf den wachsenden Energiehunger reagieren“, sagt Johannes Vey. „Nur wenn wir unsere Strukturen anpassen, können wir die großen, grünen Strommengen zuverlässig zu den Verbrauchern bringen.“ Damit auch künftig keine Flaute bei der Stromversorgung herrscht.
Foto: Süwag, Illustration: SeitenPlan mit Material von Shutterstock.com