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Fliegender Bote: Die Drohnen von Wingcopter erreichen auch entlegene Regionen problemlos, wie hier auf den Malediven.
Millionen Menschen weltweit fehlt der schnelle Zugang zu medizinischer Versorgung. Ein Start-up aus Darmstadt will das ändern: mit autonomen Drohnen, die Arzneimittel in die entlegensten Winkel bringen.
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Fliegender Bote: Die Drohnen von Wingcopter erreichen auch entlegene Regionen problemlos, wie hier auf den Malediven.
Sechs Kilogramm Nutzlast, 75 Kilometer Reichweite und eine Spitzengeschwindigkeit von 150 Stundenkilometern: Das sind die Eckdaten des neuesten Modells der Darmstädter Drohnenschmiede Wingcopter – einem Fluggefährt, das Leben retten soll. Das Besondere: Die batteriebetriebene Drohne kann praktisch überall starten und landen. Wie ein Hubschrauber steigt sie senkrecht in die Luft, um dann sanft und leise in die Vorwärtsbewegung überzugehen und wie ein Flugzeug weiterzufliegen. Dafür klappt sie ihre Rotoren einfach um – eine spezielle Kipprotortechnik macht’s möglich.
Wie der Wingcopter 198, so heißt das im April dieses Jahres vorgestellte Fluggefährt, sind auch die Köpfe dahinter Senkrechtstarter. Ihre ersten Drohnen entwickelten sie noch in Modellbauermanier aus Styropor – wie so viele junge Start-ups in einer Garage. Heute fertigen sie Hightech-Flieger aus Kohlefaser in Serie. Der von ihnen konzipierte Schwenkrotormechanismus ist längst patentiert. Und zu dem einstigen Gründungsteam um Tom Plümmer, Jonathan Hesselbarth und Ansgar Kadura sind inzwischen über 100 Mitarbeitende hinzugekommen. Die gemeinsame Vision: mit ihren Drohnen die Versorgung von Menschen in schwer zugänglichen Gebieten verbessern.
Die Idee kam dem Medien- und Managementprofi Tom Plümmer während eines freiwilligen sozialen Jahres in Ghana. Hautnah bekam der damals angehende Student mit, was es bedeuten kann, wenn lebensnotwendige Dinge wie Nahrung und Medikamente fehlen – und Nachschub Tage auf sich warten lässt. „Ich musste damals zusehen, wie ein Kind in der Nachbarschaft starb, weil die benötigte Medizin nicht rechtzeitig vor Ort war“, erzählt Plümmer. „Schnellere Hilfe hätte es vielleicht retten können.“
Unsere Drohnen können rasch und unkompliziert lebensnotwendige Produkte ausliefern.“
Tom Plümmer
Wingcopter
Was aber tun, wenn selbst die geländegängigsten Autos an ihre Grenzen stoßen, ein Bote zu Fuß oder per Boot lange unterwegs ist und der Einsatz eines Helikopters zu teuer? Diese Fragen hat Plümmer auch wenig später zurück in Deutschland noch im Kopf, als er die Bekanntschaft mit Jonathan Hesselbarth macht. Der Student der Ingenieurwissenschaften ist passionierter Flieger und tüftelt zu dieser Zeit bereits an einer neuartigen Hybriddrohne. Tom Plümmer erkennt das Potenzial sofort, die Idee für die eigene Firma ist endgültig gereift. Wenig später stößt Ansgar Kadura zum Team, den die beiden an der Technischen Universität Darmstadt kennenlernen. Zu dritt gründen sie 2017 Wingcopter.
Das Start-up ist nicht das einzige, das von Drohnen als fliegende Boten fasziniert ist. Weltweit arbeiten Firmen an Prototypen. Doch Wingcopter schafft es immer wieder, regionale und internationale Investoren zu überzeugen. Das Weltwirtschaftsforum zeichnet Wingcopter 2020 sogar als „Technology Pioneer“ aus. Das Start-up ist wohl auch deshalb einer der aussichtsreichsten deutschen Anbieter auf dem Markt, weil seine Drohnen anders als viele Konkurrenten ohne Startrampen, Landebahnen oder Katapulte zum Abheben auskommen. Zudem sind sie besonders schnell, stabil und reichweitenstärker als herkömmliche Multicopter-Drohnen.
„Wingcopter kann rasch und unkompliziert oft lebensnotwendige Produkte ausliefern – und so die Wartezeit von Tagen auf Stunden oder gar Minuten reduzieren“, sagt Plümmer. Wie gut das funktioniert, haben er und sein Team bereits mehrfach bewiesen. Für UNICEF transportierten die Drohnen auf Abruf Impfstoffe in Dörfer auf einer Insel des Südpazifikstaats Vanuatu. In Malawi liefern sie aktuell fast täglich Medikamente aus. Doch auch in Industrienationen wie Deutschland können die Drohnen gewinnbringend zum Einsatz kommen, wie ein Projekt mit Merck zeigte. Mit den deutschlandweit ersten Drohnenflügen über mehr als 20 Kilometer Entfernung transportierte Wingcopter Laborproben zwischen zwei Standorten des Chemie- und Pharmakonzerns hin und her – das Prinzip erwies sich als flexibler und nachhaltiger als der Transport per Lkw.
75
Kilometer schafft der Wingcopter 198 mit einer Batterieladung. Trägt die Drohne weniger als die maximale Nutzlast, sind sogar bis zu 110 Kilometer drin.
Sich auf solchen Erfolgen auszuruhen, das kommt für die Darmstädter aber nicht infrage – und so entwickeln sie ihre Drohnen stetig weiter. „Unser erstes Modell, der Wingcopter 178, hat uns im wahrsten Sinne des Wortes ermöglicht durchzustarten. Die Erfahrungen haben wir für die Entwicklung des Wingcopter 198 genutzt – und das Design so noch nutzerfreundlicher, effizienter und sicherer gemacht“, sagt Jonathan Hesselbarth. Letzteres ist besonders wichtig. Denn so nützlich autonom fliegende Drohnen auch sind, sie sind oft mit Sicherheitsproblemen verbunden. Die neue Wingcopter-Generation trotzt daher nicht nur widrigen Wetterverhältnissen. Sie soll auch Hindernisse wie Stromleitungen, Vögel oder Segelflugzeuge erkennen und ihnen automatisch ausweichen. Dank des eingebauten intelligenten Systems fliegt die Drohne selbstständig zu ihrem Ziel, die Flugroute muss lediglich vorab programmiert werden.
Fliegende Helfer
Drohnen werden in Zukunft mehr und mehr Teil unseres Alltags werden. Kein Wunder: Die unbemannten Fluggeräte, die von Menschen ferngesteuert oder automatisiert fliegen, sind nicht nur als Kuriere nützlich. Als Späher aus der Luft können sie zum Beispiel auch dabei helfen, Landschaften zu kartieren, Wilderer in Nationalparks aufzuspüren oder die Lage in Katastrophengebieten zu sondieren. In der Landwirtschaft kommen Flugdrohnen unter anderem bereits zum Einsatz, um in Feldern versteckte Rehkitze zu finden – und sie so vor dem Mähdrescher zu bewahren. Doch nicht nur das: Forscher arbeiten bereits an Minidrohnen nach dem Vorbild von Insekten, die eines Tages die Pflanzenbestäubung übernehmen könnten. Und sogar im wahrsten Sinne des Wortes außerirdische Dienste leisten die Fluggeräte. So schickte die US-Weltraumbehörde NASA Anfang des Jahres den Helikopter Ingenuity auf den Mars. Die Drohne erprobte erfolgreich das Fliegen in der dünnen Atmosphäre des Roten Planeten und lieferte Einblicke in schwer zugängliches Terrain – eine Premiere in der Raumfahrtgeschichte.
Plümmer und seine Mitstreiter sind überzeugt davon, dass Wingcopter viel Gutes in die Welt bringen kann – über Lieferketten, die weder durch Staus noch durch unwegsames Gelände unterbrochen werden. Neben der Logistik ist das Team im Bereich der Erkundung aktiv. Forscher haben Wingcopter bereits genutzt, um Vulkane zu kartieren und Wale zu zählen. Und auch für die Inspektion von Stromtrassen kommen die Drohnen zum Einsatz. Vieles ist möglich – nur militärische Einsätze schließen Plümmer und seine Kollegen kategorisch aus. Ihren Idealismus haben sie sich bewahrt.
Sie wollen mehr wissen? Hier geht's zur Wingcopter-Website.
„Die Zukunft im Blick“
Beeindruckend, wie viele Prozesse heute bereits automatisiert funktionieren! Stromzähler, die Verbrauchsdaten automatisch übermitteln, Software, die die Energieerzeugung intelligent und in Echtzeit steuert – solchen Lösungen gehört die Zukunft. Warum? Weil sie die Chance bieten, unsere Kundenorientierung weiter zu verbessern, effizienter zu werden, Kosten zu sparen und zugleich ein hohes Maß an Sicherheit zu gewährleisten.
Letzteres hat für uns als Netzbetreiber natürlich oberste Priorität. Schließlich wollen wir Ihnen jederzeit zuverlässig Strom und Gas liefern. Je komplexer und größer die Netze, desto aufwendiger wird es aber, mögliche Störfaktoren frühzeitig zu erkennen und zu beheben. Drohnen können uns helfen, diese Herausforderung zu meistern: zum Beispiel, indem sie uns bei der Wartung von Freileitungen und Strommasten unterstützen.
Bisher übernehmen in der Regel noch Hubschrauber die turnusmäßige Suche nach Gefahrenquellen an dieser wichtigen Infrastruktur. Oft lassen sich erst aus der Luft Gewitterschäden, Vogelnester in den Masten oder störendes Pflanzenwachstum erkennen. Ein nicht ungefährlicher Balanceakt für die beteiligten Piloten!
Flugdrohnen sind im Vergleich zum Helikopter deutlich wendiger, erkennen Schäden wie Asteinwüchse sogar automatisch und bedeuten ein geringeres Risiko. Ein weiterer Vorteil: Sie fliegen leiser und verursachen weniger Abgase. Viele gute Gründe also, den Einsatz solcher Fluggeräte in unserem Konzern zu testen. Bestätigen sich die positiven Erwartungen, könnten Drohnen künftig standardmäßig für die Syna im Einsatz sein – so wie die vielen anderen Technologien, die wir in der Vergangenheit erfolgreich erprobt haben und die nun ganz selbstverständlich für uns und unsere Kunden sind.
Egal ob E-Mobilität, Chatbots oder Smart-Meter: Unser Anliegen ist es seit jeher, uns schon heute um die Technik von morgen zu kümmern. Denn wir haben für Sie stets die Zukunft im Blick.
Welche Aufgaben könnten Drohnen künftig noch in unserer Region übernehmen? Lassen Sie uns an Ihren Visionen teilhaben: kundenmagazin@ suewag.de
Dennis Theis, Leiter Digitale Netztechnologien bei der Süwag-Tochter Syna, über das Potenzial von Drohnen für die Energiewirtschaft.
Fotos: Jonas Wresch, Wingcopter, Süwag